Besser verrauscht als verwackelt – so findest du die richtige ISO-Empfindlichkeit [Fototipp 69]

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»Stelle die ISO-Empfindlichkeit so niedrig wie möglich, aber so hoch wie nötig ein!«
Das ist ein schöner Spruch, aber was heißt das konkret?

Mit der ISO-Empfindlichkeit bestimmst du, wie stark die Signale des Sensors verstärkt werden. Vereinfacht gesagt: Du stellst damit die Empfindlichkeit des Sensors ein. Je höher du die ISO-Empfindlichkeit wählst, desto mehr sichtbares Bildrauschen kommt ins Bild – deshalb die Regel mit dem niedrigen ISO-Wert.

Gleichzeitig kannst du durch eine hohe ISO-Empfindlichkeit aber kürzer belichten. Das ist oft wichtiger, als um jeden Preis das Bildrauschen gering zu halten.

Kriterien für die Wahl der ISO-Empfindlichkeit

Grundsätzlich gibt es 2 Kriterien, die du beachten musst, wenn du die ISO-Empfindlichkeit deiner Kamera einstellst.

  1. Was willst du mit der Bewegung im Bild machen?
  2. Was kann deine Kamera?

1. Die Bewegung im Bild

Willst du dein Foto nicht verwacklen oder die Bewegungen deines Motivs einfrieren, musst du kurz belichten.
In dem Fall hast du oft keine andere Wahl und musst die ISO-Empfindlichkeit erhöhen.

Beim Verwackeln kannst du dich an die Freihandgrenze halten. Die geht so:

Du erhältst ein scharfes Bild, wenn deine Belichtungszeit längstens dem Kehrwert deiner Brennweite entspricht.

Das heißt, je länger deine Brennweite ist, desto kürzer musst du belichten und desto höher muss ggf. die ISO-Empfindlichkeit sein.

Für andere Bewegungen kann ich dir keinen pauschalen Tipp geben. Menschen, die am Tisch sitzen und reden, bewegen sich langsamer als tanzende Kinder. Autos, die du von weiter weg fotografierst, musst du nicht so kurz belichten, als wenn du direkt daneben stehst und selbst Sterne werden ab einer bestimmten Belichtungszeit zu Strichen.
Aber da kommt es ganz darauf an, was du zeigen willst.

Bewegung im Bild zu zeigen, ist nicht falsch. Nur verwackelte Bilder sind doof!

2. Was kann deine Kamera

Ich bin mir sicher, dass du an deiner Kamera einen ISO-Wert einstellen kannst, der so hoch ist, dass nur noch Matsch herauskommt.
Irgendwie rühmen sich die Hersteller mit immer höheren ISO-Empfindlichkeiten, ganz egal ob damit brauchbare Bilder entstehen oder nicht.

Wichtig ist, dass du deine Kamera kennst und weißt, ab welcher ISO-Empfindlichkeit das Rauschen für deinen Geschmack zu stark wird.
Das ist natürlich subjektiv.

Generell gilt, je größer der Sensor einer Kamera und je neuer, desto höher kannst du mit dem ISO-Wert gehen.

Bei meiner alten Sony Alpha 65 kommt bei einer ISO-Empfindlichkeit von 1600 nur noch (eine Vorstufe von) Matsch raus, so dass ich das nur im äußersten Notfall nutze.
Kurioserweise sind die Bilder der Sony RX100 III bei ISO 1600 absolut brauchbar. Ähnliche Ergebnisse liefert auch die Canon G7x II.

Beispiele

Die beiden Fotos habe ich bei der DTM auf dem Lausitzring geschossen. Ich gehe davon aus, dass die Autos ähnlich schnell waren. Beim ersten Bild habe ich kurz belichtet (kürzere Belichtungszeit und höhere ISO), um die Bewegung einzufrieren. Beim zweiten Bild zeige ich die Bewegung (längere Belichtungszeit, niedriger ISO).

dtm-lausitzring-eingefroren

Eingefrorene Bewegung [Sony Alpha 65 SAL55300 ISO 400 – 60 mm – f/4.5 – 1/1600 Sek.]

dtm-lausitzring-bewegung

Bewegung sichtbar [Sony Alpha 65 SAL55300 ISO 100 – 55 mm – f/5.6 – 1/250 Sek.]

Die nächsten Bilder sind typisch Familienurlaub, die Kinder bei der Minidiso.
Im ersten Bild hatte ich mich auf die ISO-Automatik verlassen. Ein Fehler! Das Bild habe ich verwackelt. (Zum Glück nur ein bisschen.) Besser wäre es gewesen, die ISO-Empfindlichkeit weiter zu erhöhen.

minidisco-verwackelt

Leider verwackelt … zum Glück gefallen mir die Maskottchen eh nicht 🙂 [Sony Alpha 65 SAL18135 ISO 500 – 50 mm – f/5.0 – 1/80 Sek.]

In einer anderen Situation bei der Minidisco habe ich die ISO-Empfindlichkeit selbst bestimmt und nach dem Motto »Besser verrauscht als verwackelt!« gehandelt. Zur Sicherheit hätte ich mit dem ISO-Wert eigentlich noch höher gehen müssen, aber dann hätte die Kamera nur noch Matsch geliefert. Das Bild ist schon entrauscht!

minidisco-high-iso

Die Lieblingsbeschäftigung meiner Tochter: Tanzen [Sony Alpha 65 SAL18135 ISO 1600 – 70 mm – f/5.6 – 1/100 Sek.]

Auch das Titelbild des Beitrags ist ein klassisches Beispiel von »Besser verrauscht als verwackelt!«.
Die Schafe schoss ich mit dem 300er an meiner Sony Alpha 65 frei aus der Hand. Bei ISO 100 hätte die Belichtungszeit nur 1/25 Sek. betragen. Das ist unmöglich zu halten, also erhöhte ich die ISO-Empfindlichkeit auf 400, aktivierte den Bildstabilisator und schoss die Szene im Serienbildmodus. So habe ich trotz der immer noch geringen Verschlusszeit ein halbwegs scharfes Bild erhalten.

schafe-auf-dem-deich

Alternativen zu einem höheren ISO-Wert

Kannst du dich an den Satz aus der Einleitung erinnern?
»Stelle die ISO-Empfindlichkeit so niedrig wie möglich, aber so hoch wie nötig ein!«

Den Satz kannst du auch so verstehen, dass du erst alles andere versuchen sollst, bevor du die ISO-Empfindlichkeit erhöhst.

Das kannst du machen:

Motiv besser ausleuchten

Eigentlich trivial, wenn es zu dunkel ist, muss mehr Licht her! Vielleicht kannst du blitzen oder mit einem Reflektor arbeiten …
Manchmal geht das tatsächlich! Bspw., kannst du beim Familienfoto vor dem Weihnachtsbaum das Licht einschalten und die gedämpfte Lichtstimmung in der Nachbearbeitung erzeugen.

Blende öffnen

Kannst du nicht mehr Licht in dein Motiv bringen, musst du versuchen, mehr Licht in die Kamera zu lassen.
Am einfachsten geht das durch eine längere Verschlusszeit oder das Öffnen der Blende.
Wichtig: Wenn du die Blende öffnest, wird deine Schärfentiefe geringer. Arbeite dann mit der hyperfokalen Distanz, um das auszugleichen.

Stativ benutzen

Vielleicht kannst du tatsächlich länger belichten, am besten nutzt du dann ein Stativ, damit du das Bild nicht verwackelst.

Bildstabilisator nutzen

Der Bildstabilisator ist zwar nicht so gut wie ein Stativ, aber wenn es nicht anders geht, hilft er dir, länger zu belichten, wenn du aus der Hand fotografierst.

Brennweite verringern

Im Merksatz zur Freihandgrenze kommt die Brennweite vor. Verringerst du die Brennweite, kannst du auch länger belichten.
Vielleicht kannst du näher an das Motiv herangehen, dann musst du nicht so weit zoomen und kannst länger belichten.

Zusammengefasst und was der richtige ISO-Wert ist

Mit der Belichtungszeit bestimmst du, was mit der Bewegung im Bild passiert. Willst du Bewegungen einfrieren und sicherstellen, dass dein Bild nicht verwackelt, wenn du aus der Hand fotografierst, musst du möglichst kurz belichten.

Und genau hier landen wir bei der ISO-Empfindlichkeit. Belichtest du kürzer, musst du entweder die Blende öffnen oder eben den ISO-Wert deiner Kamera erhöhen, um weiterhin ein korrekt belichtetes Bild zu erhalten.
D.h., du musst den ISO-Wert genau im gleichen Verhältnis erhöhen, wie du die Belichtungszeit verringerst. Die gemeinsame Einheit ist der »Stop«.

Beispiel:
Du belichtest statt 1/8 Sekunden jetzt 1/125 Sekunden, um die Bewegung der Personen im Bild einzufrieren.
Dann hast du die Belichtungszeit um 4 Stops reduziert. (1 Stop = 1/16 Sek.; 2 Stop = 1/30 Sek.; 3 Stop = 1/60 Sek)
Also musst du die ISO-Empfindlichkeit um 4 Stops erhöhen, bspw. von 100 auf 1600, um weiterhin ein korrekt belichtetes Bild zu erhalten.

Alternativ könntest du die Blende weiter öffnen oder das Motiv besser ausleuchten.
Da du die Bewegung der Personen einfrieren willst, muss du kürzer belichten. Ein Stativ und der Bildstabilisator helfen dir dabei nicht und auch eine kürzere Brennweite ist nur bedingt zu gebrauchen.

Und hier sind wir wieder bei der Überschrift:
»Besser verrauscht als verwackelt!«

Dieser Merksatz ist viel wichtiger als der Satz mit der ISO-Empfindlichkeit. Erhöhe die ISO-Empfindlichkeit lieber einmal zu oft, ein verrauschtes Bild ist immer noch besser als ein verwackeltes oder eins, bei dem die Personen nicht scharf sind, weil sie sich bewegen.

Über Fototipp

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